Zum Kraftwerk allgemein
Seit 1923 pustet das Grosskraftwerk Mannheim allerlei Zeugs in die Luft über Rhein und Neckar. [1] Inzwischen ist es das größte Steinkohlekraftwerk in Deutschland. Und damit auch das mit den höchsten CO2-Emissionen. Erst im Jahr 2015 wurde im „grünen Ländle“ mit dem Block 9 ein komplett neuer Meiler in Betrieb genommen. „Seitdem werden pro Tag bei Volllast 12.000 t Steinkohle verbrannt, das sind 72 kg pro Sekunde oder eine Lkw-Ladung alle 2 Minuten“. [2] Die neue Anlage soll zwar effektiver sein als ältere, produziert aber dennoch riesige Mengen an CO2, sodass das Kraftwerk nach wie vor 6,86 Millionen Tonnen CO2 im Jahr ausstößt (Stand 2017). [2]
Zusammen mit den anderen Kohlekraftwerken Baden-Württembergs in Karlsruhe, Heilbronn und Altbach produziert das GKM knapp 20% der baden-württembergischen Emissionen, knappe 10% entfallen allein auf das GKM. [8] Auf der Liste der fossilen Kraftwerke in der Europäischen Union mit der höchsten Kohlenstoffdioxidemmission steht das Kraftwerk auf Platz 29 (Stand 2014). [3][4][5]
Extrem Schädlich für Mensch und Natur
Pro produzierter Kilowattstunde Strom werden ca. 340g CO2 ausgestoßen. Der Wirkungsgrad des neuesten Blocks ist nicht genau bekannt. In der Theorie wären maximal 70% der Energie der Steinkohle als Strom oder Wärme nutzbar, in der Praxis liegt der Wert wohl darunter. Die Wirkungsgrade der älteren Blöcke sind ebenfalls deutlich geringer. [5]
Hinzu kommen noch Emissionen und Energieeinsatz für Transport und Abbau der Kohle. Ganz zu schweigen von den Folgen für Mensch und Natur in den Abbauregionen, welche das GKM nicht bekannt gibt. „Derweil weiß das Unternehmen nicht, aus welchen Herkunftsländern die eingesetzte Steinkohle konkret stammt. Firmenvertreter antworteten auf der Aktionärsversammlung der MVV im März 2019 auf die Nachfrage mit der unbestimmten Angabe, dass die im GKM verbrannte Steinkohle aus der russischen Föderation, den USA und aus Südafrika stamme. Sie konnten nicht ausschließen, dass auch Steinkohle aus Kolumbien im GKM verbrannt wird – ein Rundumschlag, der die Herkunft verschleiert und die Abbaubedingungen der eingesetzten Kohle unsichtbar macht“. [2]
An dieser Kohle klebt förmlich Blut. Der Abbau greift massiv in Lebensräume ein, zerstört die Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen in den Abbauregionen. In Kolumbien und Russland werden die Gebiete indigener Bevölkerungsgruppen vernichtet – und damit deren Kultur und Lebensgrundlage.
Nach eigenen Angaben „arbeitet GKM mit Unternehmen zusammen, die sich verpflichten, nationale Standards bei der Steinkohleförderung einzuhalten. Damit entspricht GKM zwar den unzureichenden gesetzlichen Sorgfaltspflichten, kann aber nicht ausschließen, dass der Steinkohleabbau zu Menschenrechtsverletzungen und ökologischen Folgeschäden führt. GKM-Mitarbeiter*innen besuchten 2017 einen Tagebau in Russland zwar persönlich, ohne jedoch die eigene Lieferkette zu kennen. Auf diese Weise ist es unmöglich die ökologischen und sozialen Folgen für die Menschen in den Abbaugebieten abzuschätzen und Verantwortung für die eingekaufte Steinkohle zu übernehmen“ [2] – aber schließlich wird auf der Internetseite des GKM auch behauptet zum Klimaschutz beizutragen. [6]
Steinkohle wird seit 2018 nicht mehr in Deutschland abgebaut, da die hiesigen Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutzauflagen zu hoch sind und der Abbau damit nicht mehr profitabel ist. Doch erfüllt werden diese Auflagen auch in den jetzigen Herkunftsregionen der Steinkohle sicher nicht. Stattdessen nehmen Kohle und Profite den klassischen Weg, den Rohstoff seit Beginn der Kolonisierung nehmen: Vom globalen Süden in den globalen Norden. Und wir in Europa und Deutschland leben unseren Lebensstil auf Kosten der Menschen des globalen Südens.
Schadenskosten des GKM
Doch nicht nur den Menschen in den Herkunftsregionen der Kohle schadet das GKM, auch die Gesundheit der Menschen in Mannheim und Umgebung hat zu leiden. Neben Kohlenstoffdioxid verschmutzt das Kraftwerk die Atmosphäre mit Feinstaub, Stickoxiden,Schwefeldioxid, Quecksilber, Arsen und Dioxinen. 122 kg Quecksilber, 2890 t Stickstoffoxide (NOx), 2430 t Schwefeldioxid, 90,6 t Feinstaub sowie 18,5 t Salzsäure und 86 kg Arsen, werden pro Jahr in die Mannheimer Luft geblasen. [2] Besonders die Emission von Quecksilber ist damit besonders hoch und Quecksilber als neurotixische Substanz extrem gefährlich.
„Eine von Greenpeace bei der Universität Stuttgart in Auftrag gegebene Studie kommt 2013 zu dem Ergebnis, dass die 2010 vom Kraftwerk ohne Block 9 ausgestoßenen Feinstäube und die aus Schwefeldioxid-, Stickoxid- und NMVOC-Emissionen gebildeten sekundären Feinstäube statistisch zu 759 verlorenen Lebensjahren und 15.996 verlorenen Arbeitstagen pro Jahr führen; [..] die erlaubte Maximalemission des neuen Block 9 wird mit 512 verlorenen Lebensjahren und 10.817 verlorenen Arbeitstagen abgeschätzt.“ [1][11] Ob die „Einheit“ „Arbeitstage“ nicht sehr makaber ist, sei dahingestellt. Als würde ein verlorenes Lebensjahr nicht schon Grund genug sein, das GKM abzuschaffen.
Die Europäische Umwelttagentur beziffert die Gesundheits- und Umweltfolgekosten, die das GKM jährlich verursacht mit 281-383 Millionen Euro. Bezahlen müssen das die Anteilseigner RWE Generation SE (40%), EnBW Energie BW (32%) und MVV RHE GmbH (28%) nicht. [1][2]
Die MVV und EnBW sind dabei zum Teil auch noch in öffentlicher Hand. 50,1% der MVV gehören der Stadt Mannheim. 93,5% der EnBW sind je zur Hälfte im Besitz des Landes Baden-Württemberg (via der NECKARPRI GmbH) und der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW). Diese wiederum gehört 9 Landkreisen aus Südwürttemberg. [2][9]
Es ist durchaus erschreckend, dass im anscheinend grün-regierten Baden-Württemberg Landkreise und das Land Hauptanteilseigner eines Konzerns sind, der durch sein Profitstreben die Zukunft der Welt und der Menschheit gefährdet. Eine Firma in öffentlicher Hand beutet Natur und Mensch durch Kohleabbau in anderen Ländern aus und befeuert den Klimawandel. Nebenbei schadet der Konzern durch die verursachten Abgase der Kraftwerke auch den Menschen, denen er indirekt gehört, da sie in Baden-Württemberg und den entsprechenden Landkreisen leben Als wäre das nicht genug betreibt die EnBW auch noch Atomkraftwerke und produziert hoch gefährlichen Müll, der noch in Generationen Gefährdungspotential bedeutet.

Protest
Leider war der zivilgesellschaftliche Protest vor der Inbetriebnahme des Kraftwerks im Jahr 2015 nicht erfolgreich. Mit der Initiative „Mannheim kohlefrei“ spricht sich nun ein breites, aus verschiedenen Organisationen und Privatpersonen, bestehendes Bündnis dafür aus, das GKM weit vor 2038 abzuschalten.
Auch die Mannheimer Ortsgruppe von Fridays for future unterstützt diese Forderung um nicht noch „18 Jahre auf den Kohleausstieg zu warten“. [7] Ziel ist im Mannheimer Gemeinderat einen Plan festzulegen mit dem Fernwärme in der Region allein durch erneuerbare Energien gwonnen werden könnte. Das GKM würde dadurch überflüssig.
Im August 2019 blockierten „Ende Gelände„-Aktivist*innen für einen Tag das Förderband vom Kohlebunker des Kraftwerks zum Meiler und die Zufahrt zum Kraftwerk. [12]
Ist das Kraftwerk ersetzbar?
Hauptsächlich gilt das GKM nur für die Fernwärmeversorgung und die Bereitstellung des Bahnstroms der Deutschen Bahn als systemrelevant. Rund 15% des Stroms für das Netz der Bahn kommen bisher aus Mannheim. [2][6] Der Oberrheingraben bietet jedoch hervorragende Bedingungen zur Nutzung von Geothermie für die Fernwärme. Auch die Deutsche Bahn hat angekündigt die Verträge mit dem GKM nicht verlängern zu wollen und stattdessen auf erneuerbare Energien zu setzen. [5][10]
Schon jetzt ist das Kraftwerk nicht mehr rentabel: „Gewinne kann man damit aber nicht machen“, sagte der Vorstand Holger Becker im Mannheimer Morgen am 18. Mai 2017. [13] Und das obwohl das GKM noch nicht einmal für die gigantischen Folgekosten durch Zerstörung ganzer Landstriche und die Klimakrise bezahlen muss. Die Führung des GKM will nun auf Gas statt Kohle umrüsten. Doch dadurch wird scheinbar einzig versucht sich ein bisschen Zeit zu erkaufen. Aber auch Gas ist immer noch ein fossiler Brennstoff und produziert Kohlenstoffdioxid. Und das nicht zu knapp. Auch Gas ist also keine Option, sondern maximal Greenwashing und Augenwischerei. Bisher würden bei der Schließung des GKM rund 500 Menschen ihre Arbeit verlieren, doch der Ausbau von erneuerbaren Energien und Geothermie in der Region könnte mit großer Sicherheit weit mehr Arbeitsplätze schaffen. Für die im GKM arbeitenden Menschen müssen auf jeden Fall existenzsichernde Lösungen gefunden werden. Doch verglichen mit den verlorenen Arbeitsstunden durch dieGesundheitsbelastung des GKM, die die Studie der Uni Stuttgart bezifferte, scheint dieses Problem lösbar. [5][11] Jobs, die einem Unternehmen lange nicht so wichtig wären, sollte es andere Bereich zum Geld verdienen finden und diese Mitarbeitenden einsparen können, müssen zwar bei einer Schließung bedacht werden, lassen sich aber wohl kaum mit den immensen desaströsen Folgen der Kohleverbrennung im GKM vergleichen. Sei es die Zerstörung der Existenzgrundlage vieler Menschen, ganzer Gemeinschaften und der Natur in den Abbauregionen der Kohle, die Gesundheit der Anwohner*innen in weitem Umkreis um das GKM oder die Vernichtung des Ökosystems der Erde durch den immer weiter voranschreitenden Klimawandel.
Wollte Baden-Württemberg auch nur annähernd die Ziele des Pariser Kliamabkommens erreichen, müsste es drastisch seine Emissionen reduzieren. Und dazu würde die Abschaltung der Kohlekraftwerke mit ihrem 20%igen Anteil immerhin ein guter Schritt sein.
Zwar scheint das GKM bisher durch öffentlichen Druck dazu gezwungen zu sein im Jahr 2033 vielleicht schon vom Netz zu gehen, doch auch das ist zu spät. Sollten die Emissionen in Baden-Würtemberg weiterhin so hoch bleiben wie jetzt, wäre das „Guthaben“, das noch im Rahmen der Klimaziele wäre nach 5,5 Jahren aufgebraucht – und das für immer. [3] Und selbst wenn Baden-Württemberg einzig dieses Guthaben verbrauchen würde, sind die Folgen durch die Erderwärmung auch dann dramatsich.
„Jedes abgebaute und verbrannte Gramm Kohle steht für eine massive globale Ungerechtigkeit!“ [14]
Höchste Zeit, dass das GKM abgeschaltet wird – ein für alle mal.
Quellen:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Grosskraftwerk_Mannheim
[2] https://decoalonize-europe.net/wp-content/uploads/2019/09/Still-Burning.pdf
[3] https://www.bund-bawue.de/fileadmin/bawue/Dokumente/Themen/Klima_und_Energie/2019_Flyer_Steinkohle_Web.pdf
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_fossilen_Kraftwerken_in_der_Europ%C3%A4ischen_Union_mit_der_h%C3%B6chsten_Kohlenstoffdioxidemission [5] https://mannheim-kohlefrei.de
[6] https://www.gkm.de/verantwortung/klimaschutz/
[7] https://www.facebook.com/pg/FridaysForFutureMannheim/posts/
[8] https://weact.campact.de/petitions/die-klimakrise-schreitet-immer-schneller-voran
[9] https://www.enbw.com/unternehmen/investoren/aktie/aktionaersstruktur.html
[10] https://www.morgenweb.de/mannheimer-morgen_artikel,-gkm-grosskraftwerk-droht-grosskunde-zu-verlieren-_arid,1548851.html
[11] https://web.archive.org/web/20140423061412/http://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/kohle-gesundheitsreport.pdf
[12] https://www.lvz.de/Nachrichten/Politik/Ende-Gelaende-Aktivisten-blockieren-Kohlekraftwerk-Mannheim
[13] https://www.neckarstadtblog.de/2017/07/16/gkm-effizienz-zwischen-werbung-und-wirklichkeit/
[14] https://stillburning.net/